Mahnmal „Verhörzelle“

Seit Oktober 1990 erinnert die „Verhörzelle“ am Lokstedter Weg/Ecke Geschwister-Scholl-Straße/Erikastraße an die Widerstandsbewegung der Geschwister Hans und Sophie Scholl und an den von der Münchner Gruppe unabhängigen Hamburger Zweig der „Weißen Rose“.

Zur Entstehung des Mahnmals:

Der Eppendorfer Künstler Gerd Stange grub bei einem Elbspaziergang im Sand einen Wehrmachtshelm aus. Dieses Fundstück war Auslöser für die Idee eines Mahnmals für die Geschwister Scholl, an deren Verwirklichung der Künstler ein Jahr lang intensiv und gegen immer neue Widerstände gearbeitet hat.

Zunächst dachte er an einen Ort im Oberlandesgericht. Dort fand er mit Hilfe des Pförtners den ältesten Stuhl des Hauses. Der Plan scheiterte aber am Widerstand der Justizbehörde. So kam Gerd Stange auf das für ihn Naheliegende: die Geschwister-Scholl-Straße, in seiner unmittelbaren Nachbarschaft gelegen. Im zähen Ringen konnte er die Kulturbehörde Hamburg zur Unterstützung des Projektes gewinnen, dazu noch die Weiße Rose Stiftung. Mittel wurden zur Verfügung gestellt, um Material zu kaufen. Alles andere – Hunderte Stunden, um das Erdreich auszuschachten, eine Stromleitung zu verlegen, ein Gitterrost und eine Stahlkammer zu verschweißen, eine Panzerglasplatte zu bearbeiten usw., waren das unbezahlte Werk von Gerd Stange, seinen Freunden, hilfsbereiten Handwerkern und Nachbarn.

Am 1. Oktober 1990, zwei Tage vor der Wiedervereinigung, war die Verhörzelle in den Gehweg eingegraben, hinter einer Parkbank zwischen Sträuchern. Für viele Anwohner*innen eine neue und eindrucksvolle Art, ein Denkmal für die Opfer des Faschismus zu gestalten: statt einer heroischen Sockelskulptur, etwas, wonach man sich bücken muss. Was sich dem Blick nicht aufdrängt, sondern wonach man sucht oder worauf man zufällig stößt.

Der Hamburger Zweig der „Weißen Rose“:

Ende 1942 schlossen sich Hamburger Studierende und Intellektuelle zu einer Widerstandsgruppe zusammen. Wegen des Kontaktes zum Münchner Zirkel der Geschwister Scholl nannte man diese Gruppe nach 1945 „Weiße Rose Hamburg“. Die ersten Ansätze gehen bis in die Vorkriegsjahre zurück und sind eng mit der Hamburger Lichtwark-Schule verbunden, die nach reformpädagogischen Grundsätzen gegründet wurde. Mehrere Lichtwark-Schüler*innen gehörten später als Studierende zum Kern des Hamburger Zweiges der „Weißen Rose“. Im Herbst 1943 deckte die Gestapo in Hamburg die Widerstandsgruppe auf.

Die „Weiße Rose Hamburg“:

Katharina Leipelt, Dr. rer. nat., geb. am 28. Mai 1893, Freitod am 9. Januar 1944 im Polizeigefängnis Hamburg Fuhlsbüttel

Elisabeth Lange, geb. am 7. Juli 1900, gestorben am 28. Januar 1944 im Polizeigefängnis Hamburg Fuhlsbüttel

Reinhold Meyer, stud. phil., geb. am 18. Juli 1920, gestorben am 12. November 1944 im Polizeigefängnis Hamburg Fuhlsbüttel

Hans Leipelt, stud. rer. nat., geb. am 18. Juli 1921, hingerichtet am 29. Januar 1945 im Polizeigefängnis München Stadelheim

Margareta Rothe, cand. med., geb. am 13. Juni 1919, gestorben am 15. April 1945 im Frauengefängnis Leipzig Meusdorf

Frederick Geussenhainer, cand. med., geb. am 24. April 1912, gestorben im April 1945 im Konzentrationslager Mauthausen

Margarethe Mrossek, geb. am 25. Dezember 1902, gehenkt am 21. April 1945 im Konzentrationslager Neuengamme

Curt Ledien, Dr. jur., geb. am 5. Juni 1893, gehenkt am 23. April 1945 im Konzentrationslager Neuengamme

Wer waren die Geschwister Scholl?

Sophie Scholl, geb. am 9.5.1921 und ihr Bruder Hans Scholl, geb. am 22.9.1918 lebten mit ihren Eltern und drei weiteren Geschwistern seit 1932 in Ulm. Der Vater hatte dort ein Treuhandbüro für Wirtschafts- und Steuerberatung, ist aber politisch anders orientiert als die Ideologie des beginnenden Nationalsozialismus vorgibt. Auch beide Geschwister, die zunächst in die Hitlerjugend eintraten, änderten ihre Haltung und dachten über passiven Widerstand nach. Hans studierte ab 1939 in München Medizin, Sophie ab 1942 dort Biologie und Philosophie. Der Freundeskreis war überwiegend politisch motiviert, aber Ausflüge in die Berge und in die Kultur unternahmen die Geschwister trotzdem gern.

Im Sommer 1942 entschlossen sich die engsten Freunde um Hans zum aktiven Widerstand gegen das Nazi-Regime. Sophie beteiligte sich ohne Einschränkung an der Herstellung der „Flugblätter der Weißen Rose“, die in Briefkästen von vielen süddeutschen und österreichischen Städten landeten und zum Widerstand gegen das Nazi-Regime aufriefen. Alle sechs Flugblätter waren mit Schreibmaschine geschrieben und vervielfältigt. Das letzte wurde den Geschwistern zum Verhängnis. Sie warfen es im Februar 1943 von der Empore der Münchner Universität, wurden denunziert und von der Gestapo verhaftet.

Am 22.2. 1943 fand die Gerichtsverhandlung gegen Hans und Sophie Scholl sowie gegen Christoph Probst im Münchner Justizpalast statt. Die Anklage lautete: landesverräterische Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung. Die Angeklagten bekannten sich zur Flugblattaktion und wurden zum Tode verurteilt. Am gleichen Tag wurden sie im Gefängnis München Stadelheim enthauptet.

Die Mitwirkenden der Gruppe, Professor Kurt Huber, Alexander Schmorell und Willi Graf wurden ebenfalls zum Tode verurteilt. Zehn weitere Angeklagte erhielten Haftstrafen. Weitere Beteiligte mussten ebenfalls ins Gefängnis.

1947 – 4 Jahre nach der Ermordung von Hans und Sophie Scholl – wurde die Entscheidung zur Umbenennung der Niendorfer Straße in Geschwister-Scholl-Straße getroffen.